Autorin: Jinan Yousef
Um eine Beziehung zu jemandem aufzubauen, muss man diese Person gut kennen. Viele von uns fühlen sich manchmal weit entfernt von Allah, und schaffen es nicht in jeder Situation die Manifestationen Seiner Namen und Attribute zu sehen. Sheikh Muhmmad Ratib an-Nabulsi ist ein syrischer Gelehrter, der die Namen Allahs nach ihrer linguistischen Bedeutung erforscht und Beispiele sucht, wo diese Namen relevant für uns und unser tägliches Leben sind.
Ich habe Ausschnitte seiner Forschung über den Namen As-Sittir übersetzt. Dieser Name erscheint in einem Hadith (Überlieferung) des Propheten (Friede und Segen sei auf ihm): «Wahrlich, Allah der Allmächtige und Majestätische ist der Nachsichtige, Schamhafte und Verdecker; und Er liebt die Schamhaftigkeit und das Verdecken. Darum, wenn jemand von euch badet, verdeckt euch dabei (von den Blicken der Leute). Linguistisch ist As-Sittir (abgeleitet vom Wurzelwort sitr) jemand, der etwas verbirgt oder verdeckt. Aber da es eine hyperbolische Form der Wurzel ist, bedeutet al-Sittir, dass Er derjenige ist, der selbst ein Ozean der grössten Skandale verbirgt. Wenn ein Wort die hyperbolische Form einnimmt, vergrössert sich die Bedeutung des Worts sowohl qualitativ wie auch quantitativ. Ein ähnliches Beispiel ist der Name al-Ghaffar, der andeutet, dass Er sowohl die grössten Sünden wie auch eine unendliche Zahl an Sünden vergibt.
As-Sittir hat noch eine weitere Bedeutung. So ist as-Sittir, jemand der etwas verhindert und Dinge fernhaltet. Aisha (Möge Allah mit ihr zufrieden sein) sagt in einem Hadith: «Eine Dame hat mich in Anwesenheit ihrer beiden Töchter für eine Spende gebeten, doch ich hatte nichts ausser einer einzelnen Dattel bei mir. Ich gab sie ihr und die Mutter teilte die Dattel mit ihren beiden Töchtern, ohne selber etwas davon zu essen. Dann stand sie auf und ging. Als der Prophet (Friede und Segen sei auf ihm) hinein kam, erzählte ich ihm, was passiert ist. Er sagte: « Wer auch immer mit diesen beiden Töchtern anvertraut ist und sie mit Wohlwollen behandelt, so werden sie als ein Schild (Sitr) für sie vor der Hölle dienen. Folglich, jemand der zwei Töchter erzieht (nach anderen Überlieferungen reicht es auch eine Tochter zu erziehen), für sie sorgt, ihnen ein vom Islam inspiriertes Benehmen beibringt, dafür sorgt, dass sie die Regeln von Hijab beherzigen und ihnen hilft einen gläubigen Ehemann zu finden, so ist das Grund genug für eine Person, um das Paradies zu erlangen. Aus dem kann man schliessen, dass sitr auch die Bedeutung hat etwas fernzuhalten. Eine Tochter zu erziehen hält dementsprechend die Eltern von der Hölle fern.
Eine Geschichte über Sitr
Normalerweise erzähle ich keine Geschichten, die auf Träumen beruhen. Doch in diesem Fall mache ich eine Ausnahme, da die Geschichte sehr prägend ist. Vor rund fünf Jahren sah einer der Damaszener Khutaba (Prediger) den Propheten in einem Traum (Friede und Segen seien auf ihm). Er war sehr bewegt durch diese Vision, da Abu Hurayra überlieferte, dass der Prophet (Friede und Segen seien auf ihm) sagte: «Wer mich in einem Traum sieht, so ist das so, als ob er mich im wachen Zustand gesehen hätte. Dies weil Shaytan meine Form nicht annehmen kann.» In diesem Traum sagte ihm der Prophet (Friede und Segen seien auf ihm): «Teile deinem Nachbar So-und-so nahe der Moschee mit, dass er mein Gefährte im Paradies sein wird». Der Khateeb war sehr erschüttert, da er dachte: «Ist das eine frohe Botschaft für ihn oder mich?» Er ging also zu seinem Nachbar, der ein bescheidener Händler der Laien war und klopfte an seine Tür. Er betrat das Haus, grüsste ihn und sagte: «Ich komme mit froher Kunde für dich vom Gesandten Allahs (Friede und Segen seien auf ihm), aber ich werde sie dir nicht mitteilen bis du mit mir sagst, was du für deinen Herrn gemacht hast». Der Mann weigerte sich, doch der Khateeb bestand darauf und sagte: «Bei Allah, ich teile dir die Mitteilung nicht mit bis du mir verratest, was du für deinen Herrn tust!» Der Mann gab schliesslich auf und erzählte seine Geschichte:
«Ich machte einer Dame einen Antrag und habe sie später geheiratet. Während ihrer angeblich fünften Schwangerschaftswoche, war sie eigentlich schon neun Monate schwanger. Das bedeutete deutlich, dass es nicht mein Kind war. Ich hatte die Möglichkeit sie blosszustellen, mich scheiden zu lassen, sie zu zerstören. Doch ich wollte, dass sie durch mich die Chance hat bei Allah Reue zu zeigen. Ich brachte eine Hebamme nach Hause und sie gebar das Kind in der Dunkelheit der Nacht. Ich nahm das Kind, das nicht meins war, versteckte es unter meinem Mantel und betrat eine Moschee in Sanjaq Dar…» Er betrat die Moschee nachdem der Imam mit dem Fajrgebet begonnen hat. Er legte das Kind hinter die Tür und schloss sich dem Gebet an. Niemand bemerkte ihn dabei. Als das Gebet beendet war, umkreisten die Leute überrascht das Kind. Er kam zu ihnen und stellte sich ahnungslos. Er fragte, was los sei. Sie erwiderten, dass er näher treten solle. Daraufhin sagte er: “Ich werde mich um dieses Kind kümmern. Gebt es mir”. So nahm er das Kind an sich, als ob es ein im Stich gelassenes Kind sei. Er kehrte mit dem Kind zur Mutter zurück, die sich reuevoll zu Allah wendete, und zog es auf.
Allah sagt: «Allah gebietet Gerechtigkeit und gütig zu handeln […]» (Quran, 16:90).
Es wäre in diesem Fall vielleicht gerecht gewesen sie zu scheiden, doch Allah hat uns auferlegt andere mit Güte und Milde zu behandeln. Als der Mann Milde zeigte, hat er sie vor Erniedrigung und dem Irregehen bewahrt. Nicht jede Situation kann durch Gerechtigkeit behoben werden, und meistens ist Milde die bessere Alternative.
Allah ist al-Sittir und Er liebt jene, die die Fehler anderer verbergen. Dies ist warum der Prophet (Friede und Segen seien auf ihm) eine gläubige Frau als Sittira bezeichnet und eine Frau, die sich bei anderen Leuten über ihren Ehemann beschwert als skandalös. Allah blickt eine Frau, die sich ständig über ihren Mann beschwert nicht mal an, doch Allah liebt eine Frau, die sittira ist. Eine Frau, die sittira ist, ist eine Gläubige.
Allah sagt: «Und Allah gebühren die besten Namen, so ruft Ihn damit an[..]» (Quran, 7:180)
Ohne Zweifel müssen wir bei den Worten «so ruft Ihn damit» inne halten, denn eine Bedeutung dieser Aufforderung liegt darin, dass man sich Allah nähert indem man versucht seine göttlichen Attribute zu leben. Man kann dem Allerbarmer näher kommen, indem man selbst barmherzig wird. Oder man kann sich dem Allgerechten nähern, indem man selbst gerechter wird. Folglich nähert man sich as-Sittir, indem man die Fehler der Menschen verdeckt.
Originalartikel: http://www.virtualmosque.com/personaldvlpt/overcoming-hardships/al-fattah-he-who-opens-all-things/